Ich würde
euch gerne einen Poetry Slam zu meinem Thema zeigen, auf den ich das erste mal
durch meine Klassenlehrerin aufmerksam wurde. Ich hätte es wahrscheinlich nie
gesehen, wenn es mir nicht jemand gezeigt hätte. Als ich es das erste mal
gesehen habe, hatte ich Gänsehaut. Dieser Text motiviert mich etwas zu tun und
gibt mir Kraft. Ich finde es vor allem interessant wie Julia Engelmann
tiefgründig unseren Alltag durchdenkt.
Ich hoffe
es löst bei euch auch etwas gutes aus. Lasst es mich wissen!
Eines Tages,
Baby
„One day,
baby, we`ll be old,
oh baby,
we`ll be old
and think
of all the stories
that we
could have told.“
Eines
Tages, Baby, werden wir alt sein,
oh Baby,
werden wir alt sein
und dann
an all die Geschichten denken,
die wir
hätten erzählen können.
Wer ich
bin?
Ich, ich
bin der Meister der Streiche, wenn`s um Selbstbetrug geht,
ein
Kleinkind vom Feinsten,
wenn ich
vor Aufgaben steh.
Bin ein
entschleunigtes Teilchen, kann auf keinsten was reißen,
lass mich
begeistern für Leichtsinn – wenn ein anderer ihn lebt.
Ich denke
zu viel nach,
ich warte
zu viel ab,
ich nehm
mir zu viel vor
und ich
mach davon zu wenig.
Ich
zweifle alles an,
halte mich
zu oft zurück,
ich wäre
gerne klug –
allein das
ist ziemlich dämlich.
Ich würde
so vieles sagen, aber bleibe meistens still,
weil –
wenn ich das alles sagen würde,
wär das
viel zu viel.
Es gibt
viel zu tun,
meine
Listen sind so lang,
ich wird
das eh nie alles schaffen,
also fang
ich gar nicht an.
Und eines
Tages, Baby, werde ich alt sein,
oh Baby,
werde ich alt sein,
und an all
die Geschichten denken,
die ich
hätte erzählen können.
Stattdessen?
Stattdessen
häng ich planlos vorm Smartphone,
warte bloß
auf den nächsten Freitag.
„Ach, das
mach ich später“
ist die
Baseline meines Alltags.
Ich bin so
furchtbar faul
wie ein
Kieselstein am Meeresgrund.
Ich bin so
furchtbar faul,
mein
Patronus ist ein Schweinehund.
Mein Leben
ist ein Wartezimmer, niemand ruft mich auf.
Mein
Dopamin – das spar ich immer, falls ich`s noch mal brauch.
Und du?
Du
murmelst jedes Jahr neu an Silvester
die wieder
gleichen Vorsätze treu in dein Sektglas.
Und Ende
Dezember stellst du fest, dass du recht hast,
wenn du
sagst, dass du sie dieses Mal
schon
wieder vercheckt hast.
Dabei
sollte für dich doch schon 2013
„das erste
Jahr vom Rest deines Lebens“ werden.
Du
wolltest abnehmen, früher aufstehen, öfter rausgehn,
mal deine
Träume angehn, mal die Tagesschau sehen
für dein
Smalltalk-Allgemeinwissen.
Aber so
wie jedes Jahr,
obwohl du
nicht damit gerechnet hast,
kam dir
wieder mal der Alltag dazwischen.
Unser
Leben ist ein Wartezimmer,
niemand
ruft uns auf.
Unser
Dopamin – das sparen wir immer,
falls wir
es später brauchen.
Wir sind
jung und haben so viel Zeit,
warum
soll`n wir was riskieren?
Wir wollen
keine Fehler machen,
wollen
auch nichts verlieren.
Und es
bleibt so viel zu tun, unsere Listen bleiben lang,
und so
geht Tag für Tag ganz still ins unbekannte Land.
Aus „Das
mach ich später“ wird „Ach, das mach ich später“
wird
„AHHHH, das mach ich später!“ wird jetzt.
Und eines
Tages, Baby, werde ich alt sein,
oh Baby,
werde ich alt sein,
und an all
die Geschichten denken,
die wir
hätten erzählen können.
Und die Geschichte,
die wir
dann stattdessen erzählen,
werden
traurige Konjunktive sein wie –
„Einmal
wär ich fast einen Marathon gelaufen
und hätte
fast die Buddenbrooks gelesen,
und ich
wär mal beinah
„bis die
Wolken wieder lila“ waren noch wach gewesen,
fast hätten
wir uns mal demaskiert
und
gesehen, wir sind die Gleichen,
und dann
hätten wir uns fast gesagt,
wie viel
wir uns bedeuten“–
werden wir
erzählen.
Und dass
wir bloß faul und feige waren,
das werden
wir verschweigen,
und uns
heimlich wünschen,
noch ein
bisschen hierzubleiben.
Wenn wir
dann alt sind und unsere Tage knapp
– und das
wird sowieso passieren –
dann erst
werden wir kapieren,
wir hatten
nie was zu verlieren.
Denn das
Leben, das wir führen wollen,
das können
wir selber wählen.
Also los!,
schreiben wir Geschichten,
die wir
später gern erzählen.
Also!
Lass uns
nachts lange wach bleiben,
aufs
höchste Hausdach der Stadt steigen,
lachend
und vom Takt frei
die
allertollsten Lieder singen!
Lass uns
Feste wie Konfetti schmeissen,
sehen, wie
sie zu Boden reisen,
und die
gefallenen Feste feiern,
„bis die
Wolken wieder lila sind!“
Lass mal
an uns selber glauben,
ist mir
egal, ob das verrückt ist!
Wer genau
guckt, sieht,
dass Mut
auch bloss ein Anagramm von Glück ist.
Wer immer
wir auch waren,
lass uns
werden, wer wir sein wollen.
Wir haben
viel zu lang gewartet,
lass uns
Dopamin vergeuden!
„Der Sinn
des Lebens ist Leben“ –
das hat
schon Casper gesagt.
„Let`s
make the most of the night“ –
das hat
schon Ke$ha gesagt.
Lass uns
möglichst viele Fehler machen
und
möglichst viel aus ihnen lernen,
lass uns
jetzt schon Gutes säen,
damit wir
später Gutes ernten!
Lass uns
alles tun, weil wir können
und nicht
müssen,
jetzt sind
wir jung und lebendig,
und das
soll ruhig jeder wissen!
Lass uns
uns mal demaskieren
und dann
sehen, wir sind die Gleichen,
und dann
können wir uns noch sagen,
dass wir
uns viel bedeuten!
Denn
unsere Tage gehen vorbei
– das wird
sowieso passieren –
und bis
dahin sind wir frei,
und es
gibt nichts zu verlieren.
Das Leben,
das wir führen wollen,
wir können
es selber wählen.
Also los,
schreiben wir Geschichten,
die wir
später gern erzählen!
Und eines
Tages, Baby, werden wir alt sein,
oh Baby,
werden wir alt sein
und an all
die Geschichten denken –
die für
immer unsere sind.
(Julia
Engelmann)
Quelle:
Engelmann, Julia, Eines Tages, Baby, 8.Auflage, München am Main 2014, S.24-29.
Hallo Curiosa
AntwortenLöschenIch finde deinen Blog inhaltlich Hammer!
Meiner Meinung nach hast du deine Texte sehr passend zu deinem Thema gewählt und ich bin sehr beeindruckt von deinen Einleitungen zu den jeweiligen Gedichten. Es freut mich sehr, dass du deine Gedanken über den Sinn des Lebens so offen mit uns teilst.
Was mir jedoch aufgefallen ist als ich deinen Blog durchstöbert habe ist, dass die Schriftgrösse nicht überall gleich ist. Wenn du das noch anpassen würdest wäre es noch etwas angenehmer deinen Blog zu lesen.
Tolle Leistung Curiosa!
Vera
Liebe Vera
LöschenIch danke dir sehr! Es freut mich unheimlich, dass dir mein Blog so gefallen hat. Ich bin dir auch sehr dankbar für deine Kritik.
LG Curiosa
Liebe Curiosa,
AntwortenLöschenMir gefallen deine Ausgewählten Gedichte sehr! Vor allem gefällt mir dieser Poetry-Slam Text. Ich persönlich finde es immer spannend, Gefühle, Interpretationen oder Kritik zu einem Text zu lesen. Für meinen Geschmack könnte man das noch mehr machen.
Der Slam wurde schön eingeleitet und man kann sich unter deiner Beschreibung etwas vorstellen. Ich hoffe, dass noch eine genau Analyse des Reimschemas, Metrum, Autorin folgt.
Dein Hintergrundbild veranschaulicht das Thema sehr passend. Die Schriftgrösse ist eher klein gewählt, wenn du das ändern könntest, wäre das super.
Schöne Arbeit, Curiosa.
Grüsse, Lisa
PS: Ja, in mir löst dieses Gedicht auch etwas Positives aus. Es gibt mir ein Gefühl, dass ich die Zeit nicht ungenutzt an mir vorbei ziehen lassen soll, sondern selber aktiv werden und handeln soll. Also: Lass uns Dopamin vergeuden!